Die Sage von der Kreuzkirche


Bei der Kolonie Lerchenfeld steht verträumt im Schatten hoher alter Bäume ein schlichtes, altes Holzkirchlein, die Kreuzkirche, die zur Pfarrei Groß- Peterwitz gehört. Und ihr gegenüber, auf der anderen Seite der Straße, erhebt sich in Form einer kleinen Kapelle ein rotes Ziegelbauwerk, das
im Ihnern ein Quelle enthällt, das Tartarenbrünnlein. Der alte verstorbene Kirchendiner von Groß- Peterwitz, Veit Görlich, der die jetzt verlorengegangenen Urkunden über die Entstehung des Kreuzkirchleins
gelesen haben soll, berichtet darüber folgendes:

In alten Zeiten weideten die Bauern von Groß- Peterwitz ihre Pferde auf den Feldern, gennant "na spolku" (Gemeinsame), die Gemeingut der ganzen Gemeinde waren. Dieser Weideplatz befand  sich in der Nähe des jetzigen Kreuzkirchleins. Oft wurde auch bei Nacht geweidet. Einstens sahen
die Hirten an der Stelle, wo sich jetzt die Quelle befindet, ein eigentümliches Licht; aber sie wagten aus Furcht nicht näher heranzugehen. Als sie am nächsten Tage den Bauern ihr Erlebnis erzählten, ermunterten
sie diese, in der nächsten Nacht dem Lichte nachzugehen. Das geschah. Die Hirten entdecken auf dem sumpfigen Boden die jetzige Quelle, in der ein zusammengerolltes Leinwandstück schwamm. Sie wollten es herausnehmen, waren aber dazu nicht imstande. Auf ihre Erzählung gingen in der folgenden Nacht viele Einwohner des Dorfes zu der Wunderquelle und versuchten gleichfalls das schwimmende, Leinwandstückherauszuholen; aber auch ihnen gelang es nicht. Da meldeten sie dem Groß- Peterwitzer Pfarrer Martin
Mosler (1669) die wunderbare Erscheinung. Diese veranschtaltete einer feierliche Prozession. Und unter Glockengeläut, unter Gebeten und Gesängen zogen die Parochianen zur der Quelle. Dort kniete der Pfarrer nieder und zog das Leinwandstück mit einem Kreutze heraus. Als er es aufrollte, zeigte sich dem Volke ein schönes Bild des gekreuzigten Heilands.

Die Groß- Peterwitzer erblickten in dem wunderbaren Bilde ein Gnadengeschenk des Himmels und beschlossen, eine Kirche auf der Anhöhe zu bauen, welche sich rechts von den Weideplätzen erstreckte. Aber was am Tage aufgebaut wurde, fand man früh zerstört und in das Tal geschleudert,
dorthin, wo jetzt das Kirchlein steht. Da fingen die Leute an, auf dem jetzigen Kirchplatz zu bauen, und siehe da, das Werk gelang, und bald war das Kirchlein aufgerichtet. In feierlichem Zuge wurde das heilige Bild in das Gotteshaus gebracht und auf dem Hochaltar aufgestellt, wo es sich jetzt noch befindet

Mit der Holzanfuhr zum Kirchenbau soll zuerst der Bauer Kaffka begonnen haben. Sein Beispiel zog die übrigen Besitzer an. Zunächst baute man nur ein kleines Kapellchen und erst später, als aus der Umgegend zahlreiche Pilger zu dem Gnadenbild herbeiströmten, wurde die Kapelle vergrößert. Zur Zeit
des Pfarrers und Dechanten Janotta ( 1815-1843 ) hatte das Kirchlein schon das jetzige Aussehen.

In dieser Zeit schlug bei einem schweren Gewitter der Blitz in den Turm des Kirchleins. Er sturzte ein, fiel auf den Hochaltar und beschädigte des Antlitz des Gekreuzigten auf dem Wunderbild. Da berief der Dechant geschickte Maler nach Peterwitz, um das Bild wiederherzustellen. Aber keiner wagte es, an die Arbeit zu gehen. Ein unerklärliches Gefühl hielt sie davon ab, und sie reisten bald wieder fort.

Der Dechant wußte nicht, wie er sich helfen sollte, und wollte das Bild schon, beschädigt wie es war, auf dem Altar stehen lassen; da meldete sich ein Maler bei ihm, der aus weiter Ferne kam. Als ihm  der Dechant das Bild zeigte, war der Maler bereit, es wiederherzustellen. Er nahm das Bild aus dem
Rahmen,stellte es auf die Staffelei, beschaute es lange und dachte dabei über die Arbeit nach. Dann machte er sich endlich daran, die nötigen Farben vorzubereiten. Indem kam der Dechant in die Kirche,um zu sehen,was der Maler machte. Da sah er zu seiner größten Freude, daß das Bild bereits fertig war. So schön wie eins stand es da, und es war keine Spur einer Beschädigung mehr daran zu bemerken. Herzlich wollte der Priester dem Maler für die Arbeit danken. Dieser aber beteuerte, an dem Bild noch nicht
gemalt zu haben, und wollte seinen Augen nicht trauen, als er wirklich das Antlitz des Gekreuzigten vollständig hergestellt erblickte. Ergriffen von dem Wunder warf sich der Maler auf die Knie vor dem Bilde und bekannte demütig, nicht würdig gewesen zu sein, ein solches Werk zu erneuern.

Die Nachricht von der wunderbaren Begebenheit verbreitete sich rasch in der ganzen Umgegend, und noch zahlreicher wie vorher kamen von nun an die Pilger zu Kreuzkirchlein. Für die vielen Gnaden,  welche sie an Seele und Leib erlangten, brachten viele der Wallfahrer mannigfache Gaben zur Ausschmückung des schlichten Gotteshauses. Die Nachbarpfarreien sahen diese Pilgerzüge nicht gern. Sie wendeten ein, daß das Kirchlein eine gewöhnliche Feldkapellesei, die keine Ablässe habe, und daß
ihr auch die kirchliche Genehmigung als Wallfahrtsort fehle. Schließlich wandten sie sich an den Erzbischof von Olmütz, damit er die Wallfahrten verbiete. Daraufhin bekam der Fürstbischöfliche Kommissar in Katscher die Weisung, das Kreuzkirchlein zu schließen.

An dem Tag, an dem der Kommissar sein Ankunft angemeldet hatte,versammelten sich die Gr.- Peterwitzer in dem Kirchlein und erklärten, von hier nicht zu weichen und nicht zuzulassen, daß das Kirchlein geschlossen werde. Der Wagen mit dem Kommissarius kam bereits von Ratsch an; plötzlich
bleiben die Pferde stehen und wollten nicht von der Stelle. Auf die Frage des Kommisarius, was geschehen sei, erwiderte der Kutscher: "Haben Sie nicht die große Schlange gesehen, diesich mit  gräßlichem Zischen gegen die Pferde aubäumte?" Alsbald ließ der Kommissarius umkehren; denn er erkannte darin den Willen Gottes, daß die Kirche nicht geschlossen werden dürfte.

Als die Kunde davon sich verbreitete, kamen die Pilger noch zahlreicher zum Kreuzkirchlein, und das um so mehr, als dort auch zahlreiche Wunder geschahen. So ist es geblieben bis auf den heutigen Tag. Immer noch wird das Kirchlein von einzelnen Wallfehrern und ganzen Pilgerzügen besucht,
die demütig vor dem Wunderbild beten, aus der Wunderquelle trinken und sich Trost und Hilfe holen.


nach Georg Hyckel:"Was der Sagenborn rauscht"