Der geizige Bauer
Ein Bauer auf der Velká Straná in Groß–Peterwitz war auf seine alten Tage so geizig geworden, dass er weder anderen noch sich selbst etwas gönnte, sondern nur sparte und hamsterte, um recht viel Geld zu haben. Was er zusammengerafft hatte, versteckte er, ohne dass es seine Frau wusste, in dem Kissen seines Bettes. Damit er sich auch im Tode davon nicht zu trennen brauchte, bat er seine Frau, als er im Sterben lag, sie möchte ihm doch das Kissen mit in den Sarg geben. Das geschah auch, und der Bauer wurde mit dem Kissen begraben. Doch nach dem Begräbnisse fiel es der Frau auf, dass gar kein Geld im Hause war, obwohl doch der Mann so sehr gespart hatte. Alle Kisten und Kasten waren leer. Nirgends fand sich auch nur ein roter Heller. Sie riet und riet, wo er es versteckt haben könnte. Plötzlich musste sie an das Kissen denken, welches er in den Sarg verlangt hatte. Dort konnte es sein. Das ließ ihr keine Ruhe. Endlich erhielt sie die Erlaubnis, das Grab öffnen zu dürfen. Die Frau dingte den Totengräber und weihte ihn ein. Da sagte er: »Es kann sein, dass Euer Mann das Geld mitgenommen hat. Doch wenn er mit dem Gesichte nach unten liegt, dann werdet Ihr es nicht mehr bekommen, dann ist es auch in dem Kissen nicht mehr; liegt er aber mit dem Gesichte nach oben, dann ist es noch darin.« Dann machten sie sich an die Arbeit. Bald war der Sarg freigelegt. Die Frau öffnete ihn. Da lag der Tote mit dem Gesicht nach unten. Nun wusste die Frau, dass ihre Hoffnung vergebens war. Aber sie wollte doch wenigstens sehen, warum der Tote sich umgedreht hatte. Vorsichtig hob sie seinen Kopf. Da wurde ihr klar, warum das Geld nicht mehr im Kissen war. Es steckte in dem Munde des Mannes, dass dieser ganz voll davon war. All seine Habsucht und Gier hatte der Tote mit in das andere Leben hinübergenommen. Nun musste er noch im Grabe das Geld essen, das er geizig zusammengescharrt hatte, und mit dem er im Leben viel Gutes hätte stiften können.
Georg Hyckel, Was der Sagenborn rauscht, Ratibor 1924, S. 134